Bernau / Barnim: Hoch oben, wo der Wind pfeift und die Aussicht weit reicht, barg der Kirchturm der Bernauer Herz-Jesu-Kirche an der Bahnhofstraße über Jahrzehnte ein verborgenes Zeugnis der Vergangenheit.
Am gestrigen Montagabend wurde dieses Geheimnis gelüftet, als Bauarbeiter zuvor im Zuge der umfangreichen Turmsanierung eine alte Zeitkapsel entdeckten. Die feierliche Öffnung versprach nun, spannende Einblicke in frühere Zeiten zu gewähren.
Auch wenn der Fund bereits einige Wochen zurückliegt, wollte man die Öffnung ein klein wenig festlich gestalten, weshalb man etwa 80 Gemeindemitglieder, die beteiligten Bauunternehmen und Vertreter der Stadt Bernau sowie andere Kirchengemeinden eingeladen hatte.
Nach der Begrüßung der Gäste verlor Pfarrer Kohnke einige Worte zur jetzigen Sanierung, und Sascha Schmidt vom Gerüstbau-Unternehmen S. Schmidt & W. Schmidt GmbH erklärte begeisternd die Technik des des aufwendigen Gerüstes. Nach umfangreichen Vorplanungen und Berechnungen der Statik wurde Anfang März mit dem Einrüsten begonnen. Insgesamt besteht das imposante Gerüst aus gut 13.000 Einzelteilen, wiegt etwa 80 Tonnen und kostet gut 1,3 Millionen Euro. Die Aufbauarbeiten dauerten etwa 6 Wochen und wurden von ca. sechs Monteuren ausgeführt. Auch wenn das Unternehmen über viele Jahre Erfahrung verfügt, war das Einrüsten einer 66 Meter hohen Kirche Neuland. Besonders herausfordernd waren hier unter anderem die Lastableitungen oder die am Kirchenschiff angebrachten Stahlträger, von denen es noch einmal gute 26 Meter bis zur Turmspitze sind. Am Außenrand des Baugerüstes befindet sich ein Aufzug, welcher Personen und Arbeitsmaterial bis zum höchsten Punkt befördert.
Grundstückserwerb 1902 und nur 18 Monate Bauzeit
1902 hat die Kirche das Grundstück erworben, um hier einen Kirchenneubau zu errichten. Einzige Bedingung hierfür war, dass das Kreuz höher sein sollte, als das der benachbarten Sankt-Marien-Kirche. Gute 2 Jahre später erfolgte dann auch schon die Grundsteinlegung. Kaum zu glauben, aber die gesamte Bauzeit betrug damals gerade einmal 18 Monate und richtete sich nach den Plänen des Architekten Paul Ueberholz. Seit den 70-er Jahren steht die Kirche, welche aus etwa 500.000 Backsteinen besteht, unter Denkmalschutz. Noch immer zierte die erste Dachabdeckung aus Kupfer die Kirchturmspitze.
Mit den Jahren jedoch nagten Wetter, Sturm und Alterserscheinungen am Kirchturm und machten Ausbesserungen nötig. Nach zahlreichen Reparaturen entschloss man sich vor gut 2 Jahren, den gesamten Kirchturm neu einzudecken. Gemeinsam mit dem Denkmalschutz hat man sich für braunes Kupferblech entschieden, welches von der renommierten Firma Michael Messerschmidt aus Südthüringen bis zum Ende des Sommers 2025 in Handarbeit aufgebracht werden soll. Mit großer Anstrengung wird die Kirche, bzw. das zuständige Bistum etwa 900.000 EUR in die Hand nehmen müssen, um die dringend notwendige Reparatur ausführen zu lassen.
Öffnung der Zeitkapsel
Nach einigen Informationen zur Kirche und ihrer Geschichte war es an der Zeit, die Zeitkapsel zu öffnen. In ihr verbargen sich insgesamt drei Kapseln, eine von 1907/08, also dem Bau der Kirche. Eine weitere dann von 1973, die Dritte konnte aufgrund ihres Zustands nicht geöffnet werden.
In der Zeitkapsel von 1907 waren ein Schriftstück der damaligen Dachklempner, eine Bauzeichnung und ein weiteres Schriftstück. In der Kapsel von 1973 gab es neben Münzen aus den 70ern und Zeitdokumenten auch einen interessanten Brief vom damaligen Pfarrer Beier. Hier beschrieb er die (Zustands) Geschichte der Kirche während des Krieges und schilderte jenen Abend, als das Kreuz herunterfiel. Anbei ein kleiner Auszug im Wortlaut:
Wie aus einem Zeitkapsel-Dokument zu lesen war, überlebte die Kirche den Krieg mit zahlreichen Schäden, so etwa Granateinschlägen, und der Zustand war mehr schlecht als recht. (…) Hierzu steht im Dokument:
„Die Fenster wurden notdürftig erneuert, auch verschiedene Einschläge vermauert, die Schäden am Turm aber blieben und auch am Kreuz. So konnte sich die Nässe und damit der Rost in den Kreuzstiel hineinfressen; nachdem am Montag, dem 8. Mai 1961, ein kalter Schlag das Kreuz getroffen und den Querarm angeknickt hatte, stürzte es schließlich am Dienstag, dem 5. Dezember 1961, bei einem orkanartigen Sturm, gegen 20.45 Uhr herab und blieb im Kirchdach hängen. Bernauer und Berliner Feuerwehrleute holten später die Trümmer herunter; das Dach wurde ausgebessert, aber an der Turmspitze blieb der offene Stiel zurück, allen Witterungseinflüssen voll ausgesetzt und ein trauriger Anblick zugleich. Alle Bemühungen um die Einrüstung des Turmes zur Anbringung eines neuen Kreuzes scheiterten, bis am 15. Januar 1973 Ordinariatsrat Stinner, Bau- und Finanzreferent des Bischöflichen Ordinariates Berlin, entschied: Im Zusammenhang mit der sturmschadenbedingten Neueindeckung des Kirchdaches muss auch der Kirchturm repariert und ein neues Kreuz aufgesetzt werden, und zwar mithilfe einer kircheneigenen Rüstung und zu Finanzlasten des Bischöflichen Ordinariates.
Am Sonnabend, dem 3. August 1974, begannen die ersten Maßnahmen für die Auslage aus dem Glockenstuhl, auf der das Stahlrohrgerüst errichtet werden sollte. Nach einer kurzen winterbedingten Pause wurde das Gerüst am Freitag, dem 7. März 1975, vollendet. Am Tag darauf wurde der stark verrostete Stiel abgenommen und mit ihm zur Reparatur die Rosette und die Kugel, in der sich verschiedene Dokumente zum Kirchbau, insbesondere zum Turmbau, und Zeitungen aus jener Zeit befanden. Unterdessen waren die Ausbesserungsarbeiten an der Kupferhaut des Turmdaches zügig vorangegangen.“
Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit am 15. März 1975 das neue Kreuz die Spitze des Kirchturms der Herz-Jesu-Kirche zierte – begleitet von der Zeitkapsel, die nun der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Jetzt, 50 Jahre später, wird der Turm erneut saniert. Im Zuge dieser Arbeiten wird eine weitere Zeitkapsel eingebracht, die den Nachkommen vom gestrigen Montag und der laufenden Turmsanierung berichten soll und somit die Tradition der Zeitzeugnisse in diesem historischen Bauwerk fortsetzt.
Wer die Kirche bei der Sanierung unterstützen möchte, kann dies unter folgendem Spendenkonto tun:
Spendenkonto: Pfarrei HI. Christophorus Barnim
Sparkasse Barnim
IBAN DE08 1705 2000 3120 1926 26
BIC WELADED1GZE
Verwendungszweck: Turm Herz-Jesu
Informationen zur Kirchengemeinde unter: https://www.christophorus-barnim.de/herz-jesu-bernau
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