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Urteil zum Unfall auf der A10 mit 6 Toten – wenn 10 Sekunden entscheiden

Nachrichten aus Deutschland und der Welt (Testbetrieb)

Bernau: Mit Grauen denken wir an einen der schlimmsten Verkehrsunfälle in Brandenburg zurück. Am 14. August 2015 fuhr gegen 15 Uhr ein Kleinbus auf der A10 am Dreieck Barnim, auf einen im Stau stehenden LKW auf. Hierbei verloren noch vor Ort sechs Menschen ihr Leben und den zahlreichen Rettungskräften bot sich ein Bild des Schreckens. (wir berichteten)

Heute, knapp eineinhalb Jahre später, wurde gegen den verantwortlichen Fahrer und Unfallverursacher das Urteil im Amtsgericht Bernau gesprochen.

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Als ich am heutigen Vormittag das Bernauer Amtsgericht betrat und noch einen Augenblick auf die Gerichtsverhandlung warten musste, fragte ich mich, wie man einen Autofahrer wohl bestrafen kann, der sechs Menschenleben zu verantworten hat. Neben mir saß der Beschuldigte und drumherum Familien der Opfer und deren Nebenkläger. Ich weiss es nicht und war froh, dass ich nicht zu richten hatte.

Was war passiert?

Der Angeklagte, ein Bulgare, der zum Tatzeitpunkt 27 Jahre alt war und sich für etwa 2-3 Monate pro Jahr in Deutschland zum Arbeiten aufhält, wollte mit einem vollbesetzten Kleinbus von Bulgarien nach Berlin, bzw. Hamburg fahren. Für die etwa 1900 km waren gut 20 Stunden Fahrzeit veranschlagt. Im Schlepptau waren noch zwei weitere Fahrzeuge und im Konvoi wollten sie die Strecke zusammen bewältigen. Zwischendurch legten sie, nach Angaben des Fahrers und Zeugen, mehrere Pausen ein. Schließlich gelangten sie auf die A10 am Dreieck Barnim. Hier staute es sich an diesem Freitagnachmittag, da ein Fahrzeug liegengeblieben ist. Auf Grund der Lage und der guten Sicht, war dieser Stau bereits von weitem erkennbar.

Barnim: 6 Tote und Verletzte bei schwerem Verkehrsunfall
Foto: Bernau LIVE

In Folge des Staus bremste auch ein Sattelzug ab und hielt mit Warnblinkanlage an. Als dieser gerade ein paar Meter nach vorne rollen wollte, raste der mit 8 Personen besetzte Kleinbus aus Bulgarien mit etwa 100-120 km/h in den Auflieger des LKW´s und schob sich zum Teil unter diesen. Hierbei verstarben sechs im Wagen befindliche Personen noch am Unfallort, darunter auch ein 15-jähriges Mädchen. Der Fahrer sowie eine weitere Personen wurden schwer verletzt.

Wie ein Gutachten später feststellte, habe der Fahrer erst etwa 40 Meter vor dem Aufprall versucht zu Bremsen, bzw. den LKW zu umfahren. Viel zu spät! Es hätte mindestens 10 Sekunden an Reaktionszeit gebraucht um den Unfall nur ansatzweise zu verhindern. Das Dreieck Barnim blieb auf Grund der Rettungs- und Bergungsarbeiten für mehrere Stunden voll gesperrt.

Spätere Untersuchungen ergaben, dass der Kleintransporter keinerlei technische Mängel aufwies, die den Unfall verursacht haben könnten. Etwa defekte Bremsen oder ähnliches.

Die Urteilsverkündung

Um kurz nach 10 Uhr wurde die Verhandlung im Saal 10 des Amtsgericht Bernau eröffnet. Nach 3 Verhandlungstagen mit Aussagen von Zeugen und Gutachtern wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Da der Angeklagte und die Familienangehörigen kein Deutsch sprachen, wurde alles simultan durch Dolmetscher übersetzt.

Gleich zu Beginn hatte der arbeitslose Angeklagte, der sich an das Unfallgeschehen selbst nicht erinnern konnte, das Wort und nahm dies zur Gelegenheit, sich bei den Angehörigen der Opfer zu entschuldigen. Unter Tränen beteuerte er sein Mitgefühl, verstand es aber auch nicht wirklich, welche große Schuld er selber an diesem Unfall trägt. Den Betroffenen Familien fiel es sichtlich nicht leicht eine Entschuldigung anzunehmen. Auch hier Tränen und Worte der Verzweiflung und Trauer.

Nach einer kurzen Unterbrechung hielt der Staatsanwalt sein etwa 10-minütiges Plädoyer. Hierin betonte er, dass eine vorsätzliche Tat zwar generell auszuschliessen sei, jedoch habe sich der Angeklagte in hohem Maße grob fahrlässig verhalten und sprach von großer Sorgfaltspflichtverletzung. Denn wenn der Angeklagte gut 2 Tage unterwegs ist und zudem noch 8 Menschen befördert, wäre es seine Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass er ausgeruht und ausgeschlafen am Verkehr teilnimmt. Zudem vermissten der Staatsanwalt, wie auch die Nebenkläger eine selbstkritische Aufarbeitung. (…)

Im Weiteren sah es der Staatsanwalt als angemessen, den Angeklagten zu 2 Jahren Haft, welche zur Bewährung ausgesetzt werden soll, zu verurteilen. Dem folgten im groben und ganzem auch die Nebenkläger der Opferfamilien in ihren Plädoyers.

Nach einer weiteren Pause erfolgte dann die Urteilsverkündung durch den Richter.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte grob Fahrlässig den Unfall verursachte und verurteilte den Angeklagten zu 2 Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung in sechs Fällen in Tateinheit einer fahrlässigen schweren Körperverletzung. Die Haftstrafe wurde zu 3 Jahren auf Bewährung ausgesetzt. Die Kosten des Verfahrens und der Nebenkläger sind von ihm zu tragen.

Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Berufung eingelegt werden.

In der Begründung hieß es, dass das Unfallgeschehen im Nachhinein kaum nachvollziehbar wäre und man davon ausgehen muss, auch zu Gunsten des Angeklagten, dass dieser vermutlich auf Grund von Übermüdung eingeschlafen sei und es dadurch zu diesem schlimmen Unfall kam. Grundlage hierfür waren die lange bisherige Fahrt und die nur schwer nachzuprüfenden etwaigen Pausenzeiten des Fahrers.

Für den Angeklagten sprach seine Persönlichkeit. Hierbei war er von Anfang an geständig und, wenn auch vielleicht etwas zu spät, in der Lage sich bei den Hinterbliebenen zu entschuldigen. Ferner ist der Angeklagte verheiratet, hat selbst 3 Kinder und fiel bisher polizeilich wie auch verkehrsrechtlich, nie auf.

Der Angeklagte verzichtete noch vor Ort auf die Einlegung von Rechtsmitteln.

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